Munchmuseet, MM K 2392

MM K 2392, Munchmuseet. Datert 25.12.1936. Brev fra Curt Glaser.

Vis forklaring av tegn og farger i visningen

Lukk forklaring av tegn og farger i visningen

Forklaring av tegn og farger i visningen

NB: Kombinasjoner av virkemidlene forekommer!

Munchs skrevne tekst

overstrøket tekst

Munchs skrevne tekst

Munchs skrevne tekst

tekst skrevet av andre enn EM selv

store strykninger gjort med strek, kryss el.l.

fet tekst er trykt tekst

{overskrevet tekst}

\tilføyd tekst i linjen/

tilføyd tekst over linjen

tilføyd tekst under linjen

lakune/uleselig tekst merkes med ...

‹uklar/vanskelig leselig tekst›

endring av rekkefølgen på ord
Billederne forhåbentlig2 bliver1 god

Skriv ut visningsforklaring
VILLA MERCEDES
BELLOSGUARDO
FIRENZE


    
25. XII: 36



    Lieber alter Freund!


    Sie haben mir ein paar mal Grüße gesandt, und
glauben Sie nicht, daß ich nicht dankbar dafür gewesen
wäre, weil ich sie unbeantwortet ließ. Ich hatte
immer vor, Ihnen einmal ausführlicher zu schreiben,
aber dann verschob ich auch das, weil ich nicht wußte
wo anfangen, weil so vieles zu berichten wäre von
diesem von Grund her verwandelten Dasein.

    Mit der alten Heimat verbinden mich nur wenig Be-
ziehungen mehr. Ein paar alte Freunde sind treu ge-
blieben, aber es ist so schwer, mit ihnen zu korrespon-
dieren, weil man sich scheut, zu schreiben, wenn man
fürchten muß, daß die Briefe geöffnet werden. Mit
meinem Bruder, der mein einzig noch lebender Verwan-
dter ist außer ferner stehenden Vettern, mußte ich bre-
chen, weil er sich als ein ungetreuer Verwalter meines
zurückgelassenen Besitzes erwiesen hat. Ich hätte ihm
alles verziehen, nur das eine nicht, daß er hinter meinem
Rücken das Bild, das Sie mir und meiner verstorbenen
Frau einmal geschenkt haben, die Straße in Kragerö,
verkauft hat. Mit vieler Mühe war es mir gelungen, zu
ermitteln, wohin das Bild gelangt war, aber ich ver

 

      

suchte vergebens, auch unter erheblichen Opfern das Bild
zurückzuerwerben. Es hängt nun in einer Sammlung in Köln.

    Wie mag es sonst Ihren Bildern in Deutschland er-
gehen? Sie wissen, daß gewisse Richtungen in der neuen
Regierung allem, was modern scheint, feindlich gegen-
überstehen. Das Bild, das im Karlsruher Museum hing,
sah ich kürzlich in der Schweiz wieder. Der alte Rohlfs,
den ich im vorigen Monat besuchte, darf nicht mehr aus-
stellen. Man versteht es schwer. Aber daß die neue
Kunst, die ja gar nicht mehr so neu ist, wieder im
Kampfe steht, ist wohl der geringste Schaden. Daß
sie zu widerstandlos angenommen wurde, ist eher ein
Fehler gewesen.

    Wie lange habe ich Sie nun nicht mehr gesehen und
weiß auch nichts mehr von Ihrer Arbeit! Die Entfernung
ist weit geworden. Immer denke ich daran, ob es wohl
möglich wäre, trotzdem wieder einmal die Reise zu
wagen. Und Sie selbst? In früheren Jahren sind
Sie wohl manchmal nach Italien gekommen. Sind Sie
nun so seßhaft geworden, daß Sie daran nicht mehr
denken? Wir wohnen nun hier seit 3/4 Jahren.

 

      
VILLA MERCEDES
BELLOSGUARDO
FIRENZE



Es ist ein fremdes Land, aber es ist schön und von
freundlichem Klima. Noch jetzt zu Weihnachten
sitzen wir in warmem Sonnenschein und spüren nichts
von Winterzeit. Das hilft über vieles hinweg. Und
man spürt überall, wo man geht, die sichere künstleri-
sche Tradition, die dann allerdings nicht verhindert, daß
man im Namen des neuen Imperium das alte Rom
gründlich ruiniert. Florenz ist weniger anspruchsvoll,
es ist eine rechte Kleinstadt – glücklicherweise – von
Großstadt habe ich für dieses Leben genug genossen,
und ich sehne mich gar nicht nach Berlin zurück,
nachdem der Schritt einmal gemacht ist.

    Ja, nun bin ich also schon seit fast anderthalb
Jahren Vater eines sehr reizenden kleinen Mädchens.
Schade, daß wir so weit voneinander entfernt sind,
und Sie es nicht einmal zeichnen können. Von jemand
anders möchte ich es nicht haben, und so bemühe ich
mich nur selbst mit einer fotografischen Kamera um
das kleine Wesen.

    Daß ich an einem Roman schreibe, habe ich Sie,
glaube ich, schon vor langer Zeit einmal wissen
lassen. Ich arbeite daneben hier wieder einiges

 

      

Kunsthistorische, aber mein Hauptinteresse bleibt bei
den Menschen, die sich langsam immer deutlicher formen.
Ich beschleunige das Tempo nicht und lasse allmählich
reifen, was da werden will. Vieles, was mich beschäftigt
oder beschäftigt hat, soll da Form gewinnen.

    Aber was wird mit dieser Welt? Wird man noch
Ruhe haben, so etwas zu Ende zu schreiben und dann
auch zu lesen? Vorläufig lasse ich mich durch solche
Fragen nicht beirren. Ich kann immer noch nicht an
das Schlimmste glauben, das dann doch und wirklich
der Untergang des Abendlandes wäre.

    In diesem Sinne und in der Hoffnung auf ein
besseres neues Jahr begrüße ich Sie zum Jahreswechsel
mit den herzlichsten Wünschen für Ihr persönliches
Befinden in alter freundschaftlicher Verehrung

    
    Ihr
Curt Glaser